Ausgabe 05/2023
Das Intermodale Transport Control System (ITCS) hat sich seit den Anfängen als RBL (Rechnergestütztes Be- triebsleitsystem) in den 1970er Jahren zum zentralen Steuerungsinstrument des öffentlichen Personenverkehrs entwickelt. Die Aufgaben sind dabei kontinuierlich gewachsen: Zur ursprünglichen Aufgabe der innerbetrieb- lichen Kommunikation und Situationserfassung kam sehr schnell die aktive Verkehrssteuerung hinzu. Später wurde dann die Ermittlung und Verteilung von Echtzeit-Fahrgastinformation ein weiteres wichtiges Aufgaben- feld des ITCS - in vielen Fällen war dieser Aspekt sogar die wesentliche Motivation für die Einführung.
Und auch heute wachsen die Anforderungen an das ITCS permanent weiter: Die Einführung von elektrischen Bussen erfordert ein Reichweiten- und Lademanagement, klassische linienbasierte Verkehre werden zunehmen durch Bedarfsverkehre unterschiedlichster Ausprägung ergänzt, und schließlich wird die Einführung fahrerloser automatisierter Fahrzeuge neue Formen der Verkehrssteuerung und Fahrgastinformation in die Leitstellen und Bordsysteme des ITCS bringen.
So ist das ITCS bereits heute ein zentraler und unverzichtbarer Baustein für die Bereitstellung eines leistungs- fähigen und qualitativ hochwertigen öffentlichen Mobilitätsangebotes - sowohl aus innerbetrieblicher Sicht als auch aus der Perspektive der Fahrgäste. Diese Bedeutung wird in der Zukunft noch zunehmen, zum einen auf- grund der o. g. neuen funktionalen Anforderungen, zum anderen und vor allem aber angesichts der aus Klima- schutzgründen notwendigen Verkehrswende: Prognosen sehen den Bedarf für eine Verdopplung der Verkehrs- leistung im öffentlichen Personenverkehr bis 2030.
Dies alles geschieht vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, der in den kommenden Jahren zu einem starken Fachkräftemangel auch in den Unternehmen des öffentlichen Verkehrs führen wird. Dieser Man- gel betrifft neben dem Fahrpersonal auch die Mitarbeiter in den Leitstellen sowie die Systemarchitekten und technischen Systembetreuer der ITCS Komponenten in der Zentrale und in den Fahrzeugen.
In dieser Situation sind Automatisierung und Standardisierung bei der Einführung und dem Betrieb von ITCS zwingend notwendig, um für die Herausforderungen der Zukunft gewappnet zu sein und sicherzustellen, dass der ÖV aktiver Teil der Lösung ist und bleibt.
Bis in die jüngste Vergangenheit wurden ITCS in der Regel als monolithische Systeme von einem einzigen Her- steller geliefert und gewartet. Die Erfahrungen mit diesem Modell zeigen einige negative Aspekte: Mangelnde funktionale Qualität und Stabilität, hohe Kosten in Anschaffung, Wartung und Weiterentwicklung, hoher organisatorischer Aufwand in Projektdurchführung und Betrieb.
Eine Alternative stellt die Konzeption des ITCS als modulares System dar, das zwei wesentlichen Architekturprinzipien folgt:
— Die funktionalen Module sind über offene, standardisierte Schnittstellen gekoppelt.
— Die Verknüpfung der Module erfolgt als lose Kopplung über einen zentralen Datenbroker, in dem alle
betrieblichen Daten jederzeit aktuell verfügbar sind ("Weltbild").
Die einzelnen Module können und sollten in einem solchen System von verschiedenen Herstellern kommen. Auch der parallele Betrieb gleichartiger Komponenten von verschiedenen Herstellern kann sinnvoll sein, z. B. Fahrzeug-Bordrechner verschiedener Hersteller unter einer Leitstelle. Dies verhindert zum einen nachteilige Abhängigkeiten von einem einzigen Hersteller (sog. „Vendor-Lock-In“). Zum anderen werden so flexible
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Migrationsstrategien möglich, die kosten- und risikointensive „Big-Bang-Szenarien“ bei Systemeinführung und Update vermeiden.
So können im Laufe der Zeit Komponenten ausgetauscht und ergänzt werden und damit das System ständig aktualisiert, verbessert und an geänderte Anforderungen angepasst werden. Im Datenbroker stehen dazu alle betrieblichen Daten jederzeit offen für die Weiterverarbeitung durch andere Module zur Verfügung. Damit be- steht keine technische und/oder kommerzielle Abhängigkeit mehr von den Herstellern der datenerzeugenden Systeme.
Die VDV-Mitteilung 7057 wendet sich an Mitarbeiter in Verkehrsunternehmen, die vor dem Hintergrund der o. g. Herausforderungen eine Perspektive und Strategie für das hauseigene ITCS entwerfen und umsetzen wollen.
Sie enthält Anregungen und ist ein Leitfaden für die
— Analyse der eigenen aktuellen Situation in Bezug auf das ITCS
— Strukturierung der aktuellen und zukünftigen Anforderungen
— Entwicklung einer eigenen Perspektive & Strategie für das ITCS 2030
Diesen Artikel haben wir am 03.07.2023 in unseren Katalog aufgenommen.